Flucht als Show.
Acht Kandidaten treten im Fernsehen gegeneinander an, jeder von ihnen
will der Superflüchtling werden. Denn nur wer gewinnt, erhält am Ende
einen deutschen Pass, die anderen werden auf der Stelle abgeschoben.
Dieses zynische Szenario prägt das Stück „Überlebende am Strand“, das
am kommenden Sonntag erstmals in Kiel aufgeführt wird.
Joachim Rathke hat als Opernregisseur Klassiker wie „Carmen“, „La
Bohème“ oder „Rigoletto“ aufgeführt. Gern bewegt sich der Mann aus
Laboe aber auch auf weniger erhabenem Terrain. Zumal dann, wenn es
etwas zu sagen gibt über diese Gesellschaft und die Art und Weise, wie
die Menschen miteinander umgehen.
Flüchtlinge als moralische Trophäen, als Zirkusnummern im öffentlichen
Amüsierbetrieb, das gibt es ja im tatsächlichen Leben und wird in dem
von Rathke selbst geschriebenen Stück auf die Spitze getrieben.
Von den fast 20 jungen Frauen und Männern auf der Bühne sind die
meisten geflüchtet. Was zunächst einmal der Initiative der
Flüchtlingshilfe Laboe-Brodersdorf-Wendtorf geschuldet ist, die übers
Theaterspielen die Neu-Probsteier mit den Einheimischen zusammenbringen
wollte. Dramaturgisch fördert diese Besetzung das, was man
Authentizität nennt. Wenn die Kandidaten in der „Survivors“ genannten
Show ihre schlimmsten Erlebnisse erzählen müssen, um Punkte zu sammeln,
kommt in bisweilen erdrückenden Schilderungen zur Sprache, was ihnen
selbst widerfahren ist.
„Spannendes Theater zu machen und auf den Zynismus in der Welt
hinzuweisen“, das ist die Absicht des Autoren und Regisseurs, der auch
Mitglied der Flüchtlingshilfe ist. „Wir machen All-inclusive-Urlaub am
Mittelmeer und blenden aus, dass Menschen darin ertrinken.“
Bleischwer kommt die Inszenierung trotzdem nicht daher, denn das
Ensemble greift zugleich immer wieder die komischen und oft auch
lustigen Aspekte der Fluchtgeschichten auf.
Eine sehr erfolgreiche Premiere hatten die „Überlebenden am Strand“
bereits vor 170 Zuschauern im Lutterbeker, die zweite Aufführung findet
nun mit Unterstützung der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für
Migranten (Zbbs) und des Christlichen Vereins, der in Kiel für
Geflüchtete arbeitet, in der Gaardener Räucherei statt.
Es ist etwa ein halbes Jahr her, dass Joachim Rathke aus Laboe für sein
Integrationsprojekt „Theaterstück mit Geflüchteten“ die Förderzusage
des Bundeslandwirtschaftministeriums aus dem Programm „500
Landinitiativen“ erhalten hatte. Die Idee: Geflüchtete mithilfe des
Theaterspielens mit Einheimischen zusammenzubringen und ihnen auf
besondere Weise Gelegenheit zu geben, ihre Geschichten in die
Öffentlichkeit zu tragen. Aus dieser Idee ist nun ein Stück geworden,
das unter die Haut geht. Am Mittwoch, 9.Mai, 21 Uhr, ist „Überlebende
am Strand“ zum ersten Mal im Lutterbeker zu sehen, zwei weitere
Aufführungen folgen im September. Regisseur und Initiator Joachim
Rathke sucht weitere Bühnen im ländlichen Raum, die Interesse an dem
Stück haben.
In der Mitte der Bühne steht ein Rettungsboot. Hereingeführt werden die
„Kandidaten“ mit einem Tuch über dem Kopf, die Moderatorinnen reichen
gekünstelt lächelnd Prosecco, die Mikrofone wechseln in schnellem Tempo
von einem zum anderen. „Welches war ihr schlimmstes Erlebnis auf der
Flucht? Wer es in den schillerndsten Farben schildert, gewinnt einen
deutschen Pass. Und bitte…“ Der Zuschauer erlebt eine TV-Show, die ihn
schaudern macht. „Es war anfangs gar nicht einfach, die Idee auch
tatsächlich umzusetzen. Denn die Idee war geboren, doch es fanden sich
nur sehr zögerlich Mitspieler“, erinnert sich Joachim Rathke. Er
engagiert sich seit Beginn der Flüchtlingswelle in Laboe für die
Integration der Geflüchteten. Unter anderem mit der Wanderausstellung
„Gestrandet“ hat er für Aufsehen gesorgt.
Schließlich fanden sich Mitte November dann doch 17 Frauen und Männer
aus Jemen, Afghanistan, Eritrea, Syrien, Armenien, dem Irak und
Deutschland zusammen, die gemeinsam ein Stück auf die Bühne bringen
wollten. Aber es gab keine Idee welches, keine Regie, keinen Text -
alles war offen. Ziel war: Es sollte um die Geschichte der Flüchtlinge
gehen. „Wir haben in den ersten vier Wochen nur improvisiert, drehten
uns aber nur noch im Kreis. Schließlich habe ich dann doch ein Stück
geschrieben, in dem jeder seinen Text gelernt hat“, berichtet Rathke
weiter. Und schnell sei dabei auch klar geworden, es würde ein
skurriles Stück über eine menschenverachtende TV-Show werden, in der
die Moderatoren in das Intimste ihrer „Kandidaten“ vordringen, um es in
abstoßender Weise an die Öffentlichkeit zu zerren.
Und so entstand der Rahmen: Zwei Moderatorinnen, acht Kandidaten, zwei
Assistenten. Und in der Tat wird dem Zuschauer auf erschreckende Weise
gezeigt, welche Oberflächlichkeit und Profitsucht sich in dieser Art
der Unterhaltung verbirgt. Es wird schnell deutlich, dass die
Teilnehmer ihre wahre Geschichte und somit von Folter, Vergewaltigung,
Todesangst und Demütigung erzählten. „Wir mussten auch berücksichtigen,
was wir den Mitspielern zumuten können zu erzählen. Es waren sehr
emotionale Proben, die teilweise auch abgebrochen werden mussten“,
erläutert Rathke. Er sei nun gespannt, wie das Publikum auf das Stück
reagiert.
Zusätzlich zur Aufführung in Lutterbek wird es am 16.September in der
Alten Räucherei in Kiel sowie am 22.September auf dem Hof Wiese in
Laboe zu sehen sein. „Wir würden uns freuen, wenn sich weitere
Aufführungsmöglichkeiten im ländlichen Raum ergeben würden“, so Rathke.
Lange hat Joachim Rathke überlegt, wie er die zum Teil
grausamen Schicksale von Flüchtlingen einem größeren Publikum
näherbringen kann. Denn nichts ist authentischer, als echte
Lebensgeschichten zu erzählen. Der Laboer, der sich schon lange in der
Flüchtlingshilfe engagiert, entschied sich dafür, ein Theaterstück zu
schreiben.
„Überlebende am Strand“ heißt es, das am Mittwoch, 9.Mai, im
Lutterbeker um 21 Uhr uraufgeführt wird. Und das Stück ist einzigartig.
Denn als Akteure konnten Flüchtlinge aus sechs unterschiedlichen
Ländern verpflichtet werden, mit denen Rathke in der Gruppe, aber auch
einzeln probt. „Die Proben sind auch so eine Art Sprachunterricht.“
Aber auch zwei Deutsche gehören mit zum bunt gemischten Ensemble.
Rathke, der von Haus aus Opernregisseur ist, hat sich lange überlegt,
wie er das Thema Flucht der Öffentlichkeit nahebringen kann. „Ich
dachte zuerst daran, eine Art Fernsehcastingshow zu inszenieren.“ Da
waren dann der Kreativität schnell die Grenzen gesetzt. Aber eine
Casting-Show spielt auch im Theaterstück eine Rolle. Die 16 Akteure
treten in einer solchen auf und haben dabei die Gelegenheit, als
Gewinner einen Pass mit nach Hause zu nehmen. Dafür müssen sie aber zum
Teil schwere und harte Fragen beantworten wie „Was war dein grausamstes
Erlebnis auf der Flucht?“ In diesem Zusammenhang erzählen die
Flüchtlinge und frisch gebackenen Theater-Schauspieler ihre eigenen
Geschichten. Und die handeln schon mal von so grausamen Situationen wie
einer Gruppenvergewaltigung oder der schrecklichen Erfahrung, einem
Toten die Schwimmweste ausziehen zu müssen, um selber zu überleben.
Deshalb sollten auch nur Besucher ab 14 Jahren in den Lutterbeker
kommen. Die Jüngste im Lutterbeker wird somit mit 13 Jahren die
Bühnen-Akteurin Rafya sein. Sie hat selber Schweres durchgemacht.
Aber Rathke sorgt mit seinem Stück im besten Sinne für gemischte
Gefühle. Denn, so der Laboer: „Das Stück zeigt nicht nur die
schrecklichen Seiten der Flucht, es hat auch lustige und ironische
Elemente.“ Auf sein bunt gemischtes Ensemble ist Rathke stolz. Denn, so
der Regisseur: „Die Texte sind zum Teil sehr schwer.“
Nach der Uraufführung soll „Überlebende am Strand“ auch an anderen
Orten über die Bühne gehen. Möglich ist auch, dass ein Hörspiel
entsteht, und auch eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen. Gefördert
wird das Projekt unter anderem vom Landwirtschaftsministerium. […]
Seit einem Jahr läuft das Theaterprojekt der Flüchtlingshilfe
Laboe, Brodersdorf und Wendtorf. Jetzt sind es nur noch wenige Tage bis
zur Premiere am Mittwoch, 9. Mai um 21 Uhr im Lutterbeker.
„Survivors“ heißt die Fernsehshow, in welcher es einmal wöchentlich um
einen echten deutschen Paß geht. Acht Flüchtlinge treten dabei
gegeneinander an, um sich den Fragen der zwei Starmoderatoren Doro
Döttelbek und Bemnet Snow zu stellen. Zur einhundertsten
Jubiläumssendung haben sich die beiden ganz besondere Aufgaben
ausgedacht. Es geht ums Ganze für die Kandidaten, denn den Verlierern
droht die sofortige Abschiebung.
Opernregisseur Joachim Rathke schrieb und inszenierte die groteskböse
Unterhaltungssendung über den Wahnsinn der Flucht, den Wahnsinn des
Überlebens in Europa und den Untergang sämtlicher Werte, an welche man
eigentlich glaubte. Darf man die Geschichte so erzählen? Diese Frage
stellten sich alle nicht nur einmal während der Proben. Die 13jährige
Rafya brachte es auf den Punkt: „Einer muss die Geschichten erzählen,
damit sie nicht vergessen werden.“ Geschichten, Erlebnisse von
Menschen, die sie auf ihrer Flucht erlebt hatten. „Sie wurden mir
erzählt, als wir die Ausstellung „gestrandet“ vorbereiteten“, erklärt
Joachim Rathke immer noch bewegt von den schweren Schicksalen.
Aus der Gruppe ist ein eingeschworenes Team geworden. Gemeinsam halfen
sich die Laien-SchauspielerInnen aus 7 Ländern bei der richtigen
Aussprache und beim Verstehen der Texte. „Mir ist es wichtig, dass alle
wissen, was sie spielen“, betont Joachim Rathke und überlässt dabei
nichts dem Zufall und ist für Ideen der Teilnehmer offen. Alle hätten
gern noch ein Probewochenende wie in der Jugendherberge Westensee
gehabt.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft, GETRA e.V. Kiel, Christlicher Verein Kiel,
Bürgerstiftung im Kreis Plön gefördert.