Aus: „Kieler Nachrichten“, 14.9.2018

Martin Geist: „Zynische Show um den Superflüchtling“
Theaterstück „Überlebende am Strand“ ist Sonntag erstmals in Kiel zu sehen - weitere Aufführungen in Laboe und Plön

Flucht als Show.
Acht Kandidaten treten im Fernsehen gegeneinander an, jeder von ihnen will der Superflüchtling werden. Denn nur wer gewinnt, erhält am Ende einen deutschen Pass, die anderen werden auf der Stelle abgeschoben. Dieses zynische Szenario prägt das Stück „Überlebende am Strand“, das am kommenden Sonntag erstmals in Kiel aufgeführt wird.
Joachim Rathke hat als Opernregisseur Klassiker wie „Carmen“, „La Bohème“ oder „Rigoletto“ aufgeführt. Gern bewegt sich der Mann aus Laboe aber auch auf weniger erhabenem Terrain. Zumal dann, wenn es etwas zu sagen gibt über diese Gesellschaft und die Art und Weise, wie die Menschen miteinander umgehen.
Flüchtlinge als moralische Trophäen, als Zirkusnummern im öffentlichen Amüsierbetrieb, das gibt es ja im tatsächlichen Leben und wird in dem von Rathke selbst geschriebenen Stück auf die Spitze getrieben.
Von den fast 20 jungen Frauen und Männern auf der Bühne sind die meisten geflüchtet. Was zunächst einmal der Initiative der Flüchtlingshilfe Laboe-Brodersdorf-Wendtorf geschuldet ist, die übers Theaterspielen die Neu-Probsteier mit den Einheimischen zusammenbringen wollte. Dramaturgisch fördert diese Besetzung das, was man Authentizität nennt. Wenn die Kandidaten in der „Survivors“ genannten Show ihre schlimmsten Erlebnisse erzählen müssen, um Punkte zu sammeln, kommt in bisweilen erdrückenden Schilderungen zur Sprache, was ihnen selbst widerfahren ist.
„Spannendes Theater zu machen und auf den Zynismus in der Welt hinzuweisen“, das ist die Absicht des Autoren und Regisseurs, der auch Mitglied der Flüchtlingshilfe ist. „Wir machen All-inclusive-Urlaub am Mittelmeer und blenden aus, dass Menschen darin ertrinken.“
Bleischwer kommt die Inszenierung trotzdem nicht daher, denn das Ensemble greift zugleich immer wieder die komischen und oft auch lustigen Aspekte der Fluchtgeschichten auf.
Eine sehr erfolgreiche Premiere hatten die „Überlebenden am Strand“ bereits vor 170 Zuschauern im Lutterbeker, die zweite Aufführung findet nun mit Unterstützung der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für Migranten (Zbbs) und des Christlichen Vereins, der in Kiel für Geflüchtete arbeitet, in der Gaardener Räucherei statt.



Aus: „Kieler Nachrichten“, 8.5.2018

Astrid Schmidt: „Flucht bis auf die Bühne“
Integrationsprojekt mit 17 Frauen und Männern aus sechs Ländern führt Theaterstück auf

Es ist etwa ein halbes Jahr her, dass Joachim Rathke aus Laboe für sein Integrationsprojekt „Theaterstück mit Geflüchteten“ die Förderzusage des Bundeslandwirtschaftministeriums aus dem Programm „500 Landinitiativen“ erhalten hatte. Die Idee: Geflüchtete mithilfe des Theaterspielens mit Einheimischen zusammenzubringen und ihnen auf besondere Weise Gelegenheit zu geben, ihre Geschichten in die Öffentlichkeit zu tragen. Aus dieser Idee ist nun ein Stück geworden, das unter die Haut geht. Am Mittwoch, 9.Mai, 21 Uhr, ist „Überlebende am Strand“ zum ersten Mal im Lutterbeker zu sehen, zwei weitere Aufführungen folgen im September. Regisseur und Initiator Joachim Rathke sucht weitere Bühnen im ländlichen Raum, die Interesse an dem Stück haben.

In der Mitte der Bühne steht ein Rettungsboot. Hereingeführt werden die „Kandidaten“ mit einem Tuch über dem Kopf, die Moderatorinnen reichen gekünstelt lächelnd Prosecco, die Mikrofone wechseln in schnellem Tempo von einem zum anderen. „Welches war ihr schlimmstes Erlebnis auf der Flucht? Wer es in den schillerndsten Farben schildert, gewinnt einen deutschen Pass. Und bitte…“ Der Zuschauer erlebt eine TV-Show, die ihn schaudern macht. „Es war anfangs gar nicht einfach, die Idee auch tatsächlich umzusetzen. Denn die Idee war geboren, doch es fanden sich nur sehr zögerlich Mitspieler“, erinnert sich Joachim Rathke. Er engagiert sich seit Beginn der Flüchtlingswelle in Laboe für die Integration der Geflüchteten. Unter anderem mit der Wanderausstellung „Gestrandet“ hat er für Aufsehen gesorgt.

Schließlich fanden sich Mitte November dann doch 17 Frauen und Männer aus Jemen, Afghanistan, Eritrea, Syrien, Armenien, dem Irak und Deutschland zusammen, die gemeinsam ein Stück auf die Bühne bringen wollten. Aber es gab keine Idee welches, keine Regie, keinen Text - alles war offen. Ziel war: Es sollte um die Geschichte der Flüchtlinge gehen. „Wir haben in den ersten vier Wochen nur improvisiert, drehten uns aber nur noch im Kreis. Schließlich habe ich dann doch ein Stück geschrieben, in dem jeder seinen Text gelernt hat“, berichtet Rathke weiter. Und schnell sei dabei auch klar geworden, es würde ein skurriles Stück über eine menschenverachtende TV-Show werden, in der die Moderatoren in das Intimste ihrer „Kandidaten“ vordringen, um es in abstoßender Weise an die Öffentlichkeit zu zerren.

Und so entstand der Rahmen: Zwei Moderatorinnen, acht Kandidaten, zwei Assistenten. Und in der Tat wird dem Zuschauer auf erschreckende Weise gezeigt, welche Oberflächlichkeit und Profitsucht sich in dieser Art der Unterhaltung verbirgt. Es wird schnell deutlich, dass die Teilnehmer ihre wahre Geschichte und somit von Folter, Vergewaltigung, Todesangst und Demütigung erzählten. „Wir mussten auch berücksichtigen, was wir den Mitspielern zumuten können zu erzählen. Es waren sehr emotionale Proben, die teilweise auch abgebrochen werden mussten“, erläutert Rathke. Er sei nun gespannt, wie das Publikum auf das Stück reagiert.

Zusätzlich zur Aufführung in Lutterbek wird es am 16.September in der Alten Räucherei in Kiel sowie am 22.September auf dem Hof Wiese in Laboe zu sehen sein. „Wir würden uns freuen, wenn sich weitere Aufführungsmöglichkeiten im ländlichen Raum ergeben würden“, so Rathke.



Aus: „Probsteier Herold“, 4.5.2018

Philine Stoltenberg: „Akteure spielen eigene Geschichten“
Der Laboer Opernregisseur Joachim Rathke gibt Flüchtlingen eine Bühne

Lange hat Joachim Rathke überlegt, wie er die zum Teil grausamen Schicksale von Flüchtlingen einem größeren Publikum näherbringen kann. Denn nichts ist authentischer, als echte Lebensgeschichten zu erzählen. Der Laboer, der sich schon lange in der Flüchtlingshilfe engagiert, entschied sich dafür, ein Theaterstück zu schreiben.

„Überlebende am Strand“ heißt es, das am Mittwoch, 9.Mai, im Lutterbeker um 21 Uhr uraufgeführt wird. Und das Stück ist einzigartig. Denn als Akteure konnten Flüchtlinge aus sechs unterschiedlichen Ländern verpflichtet werden, mit denen Rathke in der Gruppe, aber auch einzeln probt. „Die Proben sind auch so eine Art Sprachunterricht.“ Aber auch zwei Deutsche gehören mit zum bunt gemischten Ensemble. Rathke, der von Haus aus Opernregisseur ist, hat sich lange überlegt, wie er das Thema Flucht der Öffentlichkeit nahebringen kann. „Ich dachte zuerst daran, eine Art Fernsehcastingshow zu inszenieren.“ Da waren dann der Kreativität schnell die Grenzen gesetzt. Aber eine Casting-Show spielt auch im Theaterstück eine Rolle. Die 16 Akteure treten in einer solchen auf und haben dabei die Gelegenheit, als Gewinner einen Pass mit nach Hause zu nehmen. Dafür müssen sie aber zum Teil schwere und harte Fragen beantworten wie „Was war dein grausamstes Erlebnis auf der Flucht?“ In diesem Zusammenhang erzählen die Flüchtlinge und frisch gebackenen Theater-Schauspieler ihre eigenen Geschichten. Und die handeln schon mal von so grausamen Situationen wie einer Gruppenvergewaltigung oder der schrecklichen Erfahrung, einem Toten die Schwimmweste ausziehen zu müssen, um selber zu überleben. Deshalb sollten auch nur Besucher ab 14 Jahren in den Lutterbeker kommen. Die Jüngste im Lutterbeker wird somit mit 13 Jahren die Bühnen-Akteurin Rafya sein. Sie hat selber Schweres durchgemacht.

Aber Rathke sorgt mit seinem Stück im besten Sinne für gemischte Gefühle. Denn, so der Laboer: „Das Stück zeigt nicht nur die schrecklichen Seiten der Flucht, es hat auch lustige und ironische Elemente.“ Auf sein bunt gemischtes Ensemble ist Rathke stolz. Denn, so der Regisseur: „Die Texte sind zum Teil sehr schwer.“

Nach der Uraufführung soll „Überlebende am Strand“ auch an anderen Orten über die Bühne gehen. Möglich ist auch, dass ein Hörspiel entsteht, und auch eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen. Gefördert wird das Projekt unter anderem vom Landwirtschaftsministerium. […]



Aus „Probsteer“, 2.5.2018

Ute Winkler: „Premiere der Fernsehshow ‚Survivors‘ am Mittwoch, 9.Mai im Lutterbeker“

Seit einem Jahr läuft das Theaterprojekt der Flüchtlingshilfe Laboe, Brodersdorf und Wendtorf. Jetzt sind es nur noch wenige Tage bis zur Premiere am Mittwoch, 9. Mai um 21 Uhr im Lutterbeker.

„Survivors“ heißt die Fernsehshow, in welcher es einmal wöchentlich um einen echten deutschen Paß geht. Acht Flüchtlinge treten dabei gegeneinander an, um sich den Fragen der zwei Starmoderatoren Doro Döttelbek und Bemnet Snow zu stellen. Zur einhundertsten Jubiläumssendung haben sich die beiden ganz besondere Aufgaben ausgedacht. Es geht ums Ganze für die Kandidaten, denn den Verlierern droht die sofortige Abschiebung.

Opernregisseur Joachim Rathke schrieb und inszenierte die groteskböse Unterhaltungssendung über den Wahnsinn der Flucht, den Wahnsinn des Überlebens in Europa und den Untergang sämtlicher Werte, an welche man eigentlich glaubte. Darf man die Geschichte so erzählen? Diese Frage stellten sich alle nicht nur einmal während der Proben. Die 13jährige Rafya brachte es auf den Punkt: „Einer muss die Geschichten erzählen, damit sie nicht vergessen werden.“ Geschichten, Erlebnisse von Menschen, die sie auf ihrer Flucht erlebt hatten. „Sie wurden mir erzählt, als wir die Ausstellung „gestrandet“ vorbereiteten“, erklärt Joachim Rathke immer noch bewegt von den schweren Schicksalen.

Aus der Gruppe ist ein eingeschworenes Team geworden. Gemeinsam halfen sich die Laien-SchauspielerInnen aus 7 Ländern bei der richtigen Aussprache und beim Verstehen der Texte. „Mir ist es wichtig, dass alle wissen, was sie spielen“, betont Joachim Rathke und überlässt dabei nichts dem Zufall und ist für Ideen der Teilnehmer offen. Alle hätten gern noch ein Probewochenende wie in der Jugendherberge Westensee gehabt.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, GETRA e.V. Kiel, Christlicher Verein Kiel, Bürgerstiftung im Kreis Plön gefördert.


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