Es sind Abende wie dieser, die dem Opernfan neues Zutrauen in das deutsche Ensembletheater geben. Ein "Rigoletto", der gut tut
im Januar nach dem Verdi-Jahr, eine Inszenierung, die nicht mit einer revolutionären Optik prunken will, sondern ganz auf die Musik
vertraut, ein hausgemachter Erfolg [...].
Opernhäuser wie das von Halle sind das Rückgrat der deutschen Musiktheaterszene. An den gut funktionierenden mittleren Bühnen erlebt
man junge Künstler, die weiterkommen wollen, vielleicht schon an der Schwelle zur großen Karriere stehen. So wie Joachim Rathke [...].
Dass Rathke weiß, wie man auf der Bühne komplizierte Paarbeziehungen schlüssig darstellt, zeigt er in diesem "Rigoletto": Der bucklige
Spaßmacher (Ulrich Studer) ist in seine Tochter im wahrsten Wortsinn vernarrt - und weiß doch nicht, wie er seinen Gefühlen Ausdruck
verleihen kann. Gilda ihrerseits sehnt sich nach Geborgenheit - und zuckt doch unter der zaghaften Berührung des Vaters zusammen.
Martina Rüping zeigt die Gilda als Mädchen an der Schwelle vom Kind zur Frau - und macht damit die gedankenlose Brutalität des Herzogs
deutlich: Der vernascht sie wie eine seiner abgestumpften Kurtisanen. Für Gilda aber ist es die erste, die große Liebe. Gildas Gefühle
erblühen in Martina Rüpings unendlich zarten, süß seufzenden Tönen mit einer Überzeugungskraft, der sich keiner entziehen kann. Vor den
Ohren der Zuhörer verwandelt sich der zwischen Angst und Neugier schwankende Teenager in eine grenzenlos Liebende. Sie flüstert den
Namen des fremden Mannes so anmutig, wie sie ihn in die Luft schreibt, sie formt jeden Ton so hingebungsvoll, wie sie die Decke
glattstreicht, die er ihr eben um die Schultern gelegt hat. So klingt es, wenn Engel sich verlieben.
[...] Aber das Beste an diesem "Rigoletto" ist: Alles, was hier szenisch behauptet wird, verschmilzt mit der Überzeugungskraft der
Musik zur interpretatorischen Einheit. In Berlin ist dieses Prinzip leider aus der Mode gekommen.