Aus „Nürnberger Nachrichten“, 24.2.2015

Cora Uitting: „Schäfer und Nymphen“

Studenten der Hochschule für Musik in Aktion: Am Erlanger Markgrafentheater durfte das Publikum eine rundum gelungene Aufführung von Joseph Haydns Oper „La Fedeltà Premiata“ miterleben.

Wenn sich einmal im Jahr die Hochschule für Musik Nürnberg mit dem Theater Erlangen zusammen tut, um ihren Studierenden eine Bühne zu bieten, dann ist das in der Regel nicht nur ein wichtiger Meilenstein in der Ausbildung der jungen Sänger und Musiker, sondern auch ein großer Genuss für das Publikum. Diesmal mit Joseph Haydns Oper „La Fedeltà Premiata“ aus dem Jahre 1781.
Die Handlung ist reichlich verwirrend: Vor dem Hintergrund eines Gebotes der Göttin Diana, wonach das glücklichste Liebespaar im antiken Cumae alljährlich einem Seeungeheuer geopfert werden soll, entwickelt sich ein Reigen aus Liebe und Intrigen zwischen Schäfern, Nymphen und Figuren gräflichen Standes.
Mit Joachim Rathke (Regie) und Heike Mondschein (Ausstattung) hat man den jungen Sängern arrivierte Kräfte an die Seite gestellt. Der musikalische Leiter Guido Johannes Rumstadt (der das Dirigat an seinen Assistenten Michael Käsbauer abgibt) begleitet auf der Bühne vom Cembalo aus das Geschehen – wenn er nicht gerade mit grünen Gummihandschuhen und breitem Besen die Turnhalle fegt.
Anfängliche Befürchtungen, die Handlung mit ihren vielen Personen und Doppelbesetzungen könnte angesichts der Übertragung in ein Verhaltensexperiment der Gegenwart, das in einer Turnhalle stattfindet, vielleicht doch recht komplex werden, erweisen sich als unbegründet.
Stimmlich unterstützt von der schwedischen Mezzosopranistin Solgerd Isalv (als sehr anrührende Celia) und dem indischen Bariton Vikrant Subramanian (als kreativer Frauenschmeichler, Angeber und Feigling Graf Perrucchetto) vom Internationalen Opernstudio des Staatstheaters Nürnberg, beeindrucken auch die Studierenden durch hohes Gestaltungsniveau. Klar, kräftig tragend, dabei sehr beweglich der Sopran von Constanze Wagner (ganz die Chefin Diana), genauso gut geführt auch die Stimmen von Cecilia Fontaine (eine köstlich flatterhafte Amaranta) und Katharina Guglhör (Lindoro/ Lindora).
Auch die Männer überzeugen: Daniel Thomas (der ein wenig hölzerne Fileno), dessen kraftvoller Tenor im Laufe der Aufführung an Schmelz gewinnt, und der Chinese Cheng-Hsun Lin, ein strahlender Bass-Bariton, als Hohepriester Melibeo.
Das Orchester erweist sich als verständnisvoller, tonschöner Begleiter, von Michael Käsbauer aber auch als technisch versierter, selbstbewußter Klangkörper präsentiert. Die erstaunlich homogene Auffassung dieser „Opera pastorale“, die genaue Dosierung von echter Emotion und wunderbarem Humor, dazu das große sängerische Potenzial, all das begeistert das Publikum und beweist die Notwendigkeit derartiger Opernprojekte.



Aus „Nürnberger Zeitung“, 24.2.2015

Egon Bezold: „Eine Turnstunde mit Joseph Haydn“

Sage niemand, Joseph Haydn sei kein gewiefter Opernkomponist gewesen. 45 Opern flossen aus seiner Feder – deutsche Singspiele wie „Philemon und Baucis“ und italienische Opern, darunter in Form der reinen Opera buffa als komisches „Dramma giocoso““. Freilich gibt es auch einen ernsteren Typ im Schaffen Haydns. Dieser bannte im Markgrafentheater Erlangen als Projekt der Nürnberger Musikhochschule am Sonntag die Zuhörer: eine Opera semiseria mit dem Titel „La Fedeltà Premiata“ (die belohnte Treue).
Die Oper wurde 1780 für die Einweihung des neuen Opernhauses auf Schloss Esterházy komponiert und avancierte zum Highlight an Europas Opernbühnen. Giambattista Lorenzis Libretto handelt vom Diktum der beleidigten, von Priester Melibeo assistierten Jagdgöttin Diana, nach deren Willen alljährlich die treuesten Liebenden einem Seeungeheuer geopfert werden sollen.
Regisseur Joachim Rathke setzt moderne Akzente in einer Neuinterpretation, und zwar mit der Idee des Sich-Opferns in Gestalt eines zeitgemäßen Experiments mit Menschen. Eine makabre Geschichte ist es schon, wenn junge Leute, ihrer Freiheit beraubt, unter Extrembedingungen auf ihre Verhaltensweisen hin erforscht werden. In der Gruppe der Probanden ermittelt Diana verdeckt als „Nerina“, unterwirft sich einerseits den Regeln des Experiments, koordiniert aber zugleich die Versuchsanordnung im „Labor“.
Dieses verlegt Bühnenbildnerin Heike Mondschein in eine Turnhalle, die mit verschiedenen Sportgeräten wie Bock, Barren, Ringe und Matten ausstaffiert ist. Ja, sportlich müssen diese bedauernswerten Probanden schon sein, wenn sie auf die Kästen springen, Purzelbäume schlagen, unter künstlicher Panik zu leiden haben und sich permanent in ihre amourösen Sehnsüchte verstricken. Auch an Slapsticks ist kein Mangel, wenn der auf dem Hammerflügel die Rezitative begleitende Guido Johannes Rumstadt – Gesangsprofessor an der Musikhochschule sowie Erster Kapellmeister des Staatstheaters – wegen fehlender Vollauslastung zum Entstauben der Bühne zum Besen greift.
Die Geschichte endet mirakulös: Zwar sollte der ursprünglich zum Opfer auserkorene Conte Perrucchetto durch den freiwillig sich opfernden Fileno ersetzt werden. Doch schlussendlich wird der böse Priester Melibeo durch die Dea ex machina Diana zum Todesopfer ernannt. Die Entmachtung der Gottheit ist vollzogen. Jetzt wird der Mensch zum Maß allen Handelns.
In dieser Oper bietet Haydn alle musikalischen Formen eines Dramma giocoso: Accompagnato-Rezitative, charaktervoll komponierte Arien und abschnurrende Kettenfinali. Studierenden der Hochschule wie Mitgliedern des Internationalen Opernstudios des Staatstheaters (IOS) gelingt eine allen Respekt verdienende Leistung.
Vor allem glänzen die Hauptfiguren. So wartet Solgerd Isalv (IOS) mit einer mitreißenden Soloszene als Celia auf. Als komische Nummer absolviert Vikrant Subramanian (IOS) prächtig die Rolle des Conte Perrucchetto. All diese leidgeprüften, sich immer wieder zu putzmunterer Aktionitis aufraffenden Protagonisten beweisen Gespür für Haydns Ausdruckskunst, so die lobenswert professionell singenden Cecilia Fontaine als Amaranta und der Fileno von Daniel Thomas.
Gepflegte stimmliche Entfaltung registriert man bei Constanze Wagner als Diana, Katharina Guglhör als Lindoro/ Lindora und beim Melibeo des Cheng-Hsun Lin. Dass in Haydns Opernmusik Witz und Esprit, auch Empfindungsreichtum steckt, hebt das gut aufgelegte Hochschulorchester unter Michael Käsbauer auf respektables Niveau. In der geschliffenen Aufführung gab es viel Beifall für die Protagonisten.


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