Wenn sich einmal im Jahr die Hochschule für Musik Nürnberg mit
dem Theater Erlangen zusammen tut, um ihren Studierenden eine Bühne zu
bieten, dann ist das in der Regel nicht nur ein wichtiger Meilenstein
in der Ausbildung der jungen Sänger und Musiker, sondern auch ein
großer Genuss für das Publikum. Diesmal mit Joseph Haydns Oper „La
Fedeltà Premiata“ aus dem Jahre 1781.
Die Handlung ist reichlich verwirrend: Vor dem Hintergrund eines
Gebotes der Göttin Diana, wonach das glücklichste Liebespaar im antiken
Cumae alljährlich einem Seeungeheuer geopfert werden soll, entwickelt
sich ein Reigen aus Liebe und Intrigen zwischen Schäfern, Nymphen und
Figuren gräflichen Standes.
Mit Joachim Rathke (Regie) und Heike Mondschein (Ausstattung) hat man
den jungen Sängern arrivierte Kräfte an die Seite gestellt. Der
musikalische Leiter Guido Johannes Rumstadt (der das Dirigat an seinen
Assistenten Michael Käsbauer abgibt) begleitet auf der Bühne vom
Cembalo aus das Geschehen – wenn er nicht gerade mit grünen
Gummihandschuhen und breitem Besen die Turnhalle fegt.
Anfängliche Befürchtungen, die Handlung mit ihren vielen Personen und
Doppelbesetzungen könnte angesichts der Übertragung in ein
Verhaltensexperiment der Gegenwart, das in einer Turnhalle stattfindet,
vielleicht doch recht komplex werden, erweisen sich als unbegründet.
Stimmlich unterstützt von der schwedischen Mezzosopranistin Solgerd
Isalv (als sehr anrührende Celia) und dem indischen Bariton Vikrant
Subramanian (als kreativer Frauenschmeichler, Angeber und Feigling Graf
Perrucchetto) vom Internationalen Opernstudio des Staatstheaters
Nürnberg, beeindrucken auch die Studierenden durch hohes
Gestaltungsniveau. Klar, kräftig tragend, dabei sehr beweglich der
Sopran von Constanze Wagner (ganz die Chefin Diana), genauso gut
geführt auch die Stimmen von Cecilia Fontaine (eine köstlich
flatterhafte Amaranta) und Katharina Guglhör (Lindoro/ Lindora).
Auch die Männer überzeugen: Daniel Thomas (der ein wenig hölzerne
Fileno), dessen kraftvoller Tenor im Laufe der Aufführung an Schmelz
gewinnt, und der Chinese Cheng-Hsun Lin, ein strahlender Bass-Bariton,
als Hohepriester Melibeo.
Das Orchester erweist sich als verständnisvoller, tonschöner Begleiter,
von Michael Käsbauer aber auch als technisch versierter, selbstbewußter
Klangkörper präsentiert. Die erstaunlich homogene Auffassung dieser
„Opera pastorale“, die genaue Dosierung von echter Emotion und
wunderbarem Humor, dazu das große sängerische Potenzial, all das
begeistert das Publikum und beweist die Notwendigkeit derartiger
Opernprojekte.
Sage niemand, Joseph Haydn sei kein gewiefter Opernkomponist
gewesen. 45 Opern flossen aus seiner Feder – deutsche Singspiele wie
„Philemon und Baucis“ und italienische Opern, darunter in Form der
reinen Opera buffa als komisches „Dramma giocoso““. Freilich gibt es
auch einen ernsteren Typ im Schaffen Haydns. Dieser bannte im
Markgrafentheater Erlangen als Projekt der Nürnberger Musikhochschule
am Sonntag die Zuhörer: eine Opera semiseria mit dem Titel „La Fedeltà
Premiata“ (die belohnte Treue).
Die Oper wurde 1780 für die Einweihung des neuen Opernhauses auf
Schloss Esterházy komponiert und avancierte zum Highlight an Europas
Opernbühnen. Giambattista Lorenzis Libretto handelt vom Diktum der
beleidigten, von Priester Melibeo assistierten Jagdgöttin Diana, nach
deren Willen alljährlich die treuesten Liebenden einem Seeungeheuer
geopfert werden sollen.
Regisseur Joachim Rathke setzt moderne Akzente in einer
Neuinterpretation, und zwar mit der Idee des Sich-Opferns in Gestalt
eines zeitgemäßen Experiments mit Menschen. Eine makabre Geschichte ist
es schon, wenn junge Leute, ihrer Freiheit beraubt, unter
Extrembedingungen auf ihre Verhaltensweisen hin erforscht werden. In
der Gruppe der Probanden ermittelt Diana verdeckt als „Nerina“,
unterwirft sich einerseits den Regeln des Experiments, koordiniert aber
zugleich die Versuchsanordnung im „Labor“.
Dieses verlegt Bühnenbildnerin Heike Mondschein in eine Turnhalle, die
mit verschiedenen Sportgeräten wie Bock, Barren, Ringe und Matten
ausstaffiert ist. Ja, sportlich müssen diese bedauernswerten Probanden
schon sein, wenn sie auf die Kästen springen, Purzelbäume schlagen,
unter künstlicher Panik zu leiden haben und sich permanent in ihre
amourösen Sehnsüchte verstricken. Auch an Slapsticks ist kein Mangel,
wenn der auf dem Hammerflügel die Rezitative begleitende Guido Johannes
Rumstadt – Gesangsprofessor an der Musikhochschule sowie Erster
Kapellmeister des Staatstheaters – wegen fehlender Vollauslastung zum
Entstauben der Bühne zum Besen greift.
Die Geschichte endet mirakulös: Zwar sollte der ursprünglich zum Opfer
auserkorene Conte Perrucchetto durch den freiwillig sich opfernden
Fileno ersetzt werden. Doch schlussendlich wird der böse Priester
Melibeo durch die Dea ex machina Diana zum Todesopfer ernannt. Die
Entmachtung der Gottheit ist vollzogen. Jetzt wird der Mensch zum Maß
allen Handelns.
In dieser Oper bietet Haydn alle musikalischen Formen eines Dramma
giocoso: Accompagnato-Rezitative, charaktervoll komponierte Arien und
abschnurrende Kettenfinali. Studierenden der Hochschule wie Mitgliedern
des Internationalen Opernstudios des Staatstheaters (IOS) gelingt eine
allen Respekt verdienende Leistung.
Vor allem glänzen die Hauptfiguren. So wartet Solgerd Isalv (IOS) mit
einer mitreißenden Soloszene als Celia auf. Als komische Nummer
absolviert Vikrant Subramanian (IOS) prächtig die Rolle des Conte
Perrucchetto. All diese leidgeprüften, sich immer wieder zu
putzmunterer Aktionitis aufraffenden Protagonisten beweisen Gespür für
Haydns Ausdruckskunst, so die lobenswert professionell singenden
Cecilia Fontaine als Amaranta und der Fileno von Daniel Thomas.
Gepflegte stimmliche Entfaltung registriert man bei Constanze Wagner
als Diana, Katharina Guglhör als Lindoro/ Lindora und beim Melibeo des
Cheng-Hsun Lin. Dass in Haydns Opernmusik Witz und Esprit, auch
Empfindungsreichtum steckt, hebt das gut aufgelegte Hochschulorchester
unter Michael Käsbauer auf respektables Niveau. In der geschliffenen
Aufführung gab es viel Beifall für die Protagonisten.