Aus "Rheinzeitung", 17.9.2001

Bernd-Chr. Matern

"Rossinis 'Der Barbier von Sevilla' hatte am Wochenende Premiere im Stadttheater Koblenz - und die Inszenierung von Joachim Rathke hebt nun auf alles andere als eine komische Oper konventioneller Machart ab. Der Regisseur überträgt vielmehr Rossinis ironisch-zynischen Geist auf seine und die von Philipp Kiefer entworfenen Bühnen-Bilder.
Im Mittelpunkt: ein kreisförmiges Haus auf Drehbühne. Dies verbarrikadierte Heim des Doktors Bartolo spielt die Hauptrolle; die Darsteller begnügen sich mit der Vorbühne. Gibt das Gebäude zunächst nur eine kleine Luke frei, so werden die Wände der Wohnstätte von Bild zu Bild, von Runde zu Runde, die sich die Kulisse dreht, immer durchlässiger.
Das Spiel mit Öffnungen und im Verschlossenen angestauten Briefen für die Außenwelt prägt die sehenswerte Produktion. Behutsam gesellt der Regisseur der kleinen Luke mehr und mehr Öffnungen hinzu, bis die entschwundenen Wände einen strahlend blauen Himmel freigeben. [...]
Unwirkliche Welt: das Buffoneske wird fast schon ad absurdum geführt, die Ironie der Musik in skurrile, schräge Bilder umgesetzt. Nichts ist so, wie's Bartolo gern hätte: Hier das Haus, dort die Welt, die Türen zu, die Schlüssel in der Tasche. Statt dessen: schiefe Stühle, krumme Charaktere, von Stefan Schwamborn ebenso eingekleidet. [...]"


Aus "SWR-Radiokritik", 17.9.2001

"[...], die illustrierten Rezitative waren ein Genuss für sich, nicht minder die perfekte Übereinstimmung zwischen Orchester und Bühne.
[...] Das extravagante Bühnenbild von Philipp Kiefer mutete zunächst wie die Christo-Verhüllung eines Luftschutzbunkers an und war gewöhnungsbedürftig. Es zeigte jedoch im Fortgang der Handlung seine symbolische Funktionalität und schließlich sogar eine gewisse ästhetische Qualität. [...] Joachim Rathke absolvierte diese mit offensichtlichem Vergnügen, entging aber leider in einigen Situationen mit Bartolo sowie dem vorzüglichen Herrenchor nicht der Versuchung, Karikatur statt Humor zu bieten. Dennoch überwiegt der positive Eindruck einer plüschfreien Inszenierung mit einer Fülle sehr guter und origineller Einfälle. Ich denke hier zum Beispiel an die metaphorisch wiederkehrenden Brief- und Stuhlszenen und die köstlich choreographierte Musikstunde. [...]"

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